56/57 Fröhliche Wissenschaft

Seit dem letzten Frauen und Film-Heft, das sich explizit mit Filmtheorie auseinandersetzte, und dies in seinen Titel aufnahm (Heft 21), sind 15 Jahre vergangen. Ging es damals noch um die »blaue blume feministischer gegenkultur« und die Bekanntmachung mit Texten aus der anglo-amerikanischen feministischen Filmtheorie, die selbst noch eine Ortsbestimmung der Frau im Film vornahm, hat sich die Situation seither bedeutend geändert. Nicht nur haben sich feministische Ansätze in der Filmtheorie bereits diversifiziert, mit ihrem Einzug zumindest in die amerikanischen Universitäten sind sie zum Teil sogar dominierender Teil des Mainstream geworden. Auch Frauen und Film wurde in ihrer Entwicklung zunehmend theoretisch. Nach den verschiedenen «turns», die die Filmtheorie genommen hat, stellt sich auch die feministische Filmtheorie die Frage nach ihrer Weiterentwicklung. Besondere Unzufriedenheit löst inzwischen die immer noch anhaltende Dominanz des »Mulvey’schen Paradigmas« und die vorherrschende Bedeutung der Psychoanalyse aus. Diese Situation hat uns in diesem Heft dazu veranlaßt, eine Art von Bestandsaufnahme vorzunehmen. Damit greifen wir ein lange geplantes Projekt auf, theoretische Positionen in Frauen und Film, auch im Vergleich zur angelsächsischen Theoriebildung, darzustellen.

Herausgeberinnen und Autorinnen, die regelmäßig zu Frauen und Film beitragen, beschreiben ihre Projekte auf dem Hintergrund ihrer Auseinandersetzung mit der Theorie. Eine theoretische Tradition für Frauen und Film bildet die Kritische Theorie, dazu liefern Miriam Bratu Hansen und Heide Schlüpmanns Arbeiten Beiträge. Annette Brauerhochs und Renate Lipperts Aufsätze sind zwar der Psychoanalyse verpflichtet, versuchen jedoch, sie in anderer Weise zu mobilisieren und weiterzuentwickeln. Heike Klippel untersuch das zur Zeit wieder in die Diskussion gekommene Verhältnis zwischen der Philosophie Bergsons und dem Kino. Der Aufsatz von Georg Tillner und Siegfried Kaltenecker zieht eine Bilanz feministischer Positionen zur Problematik der Männlichkeit. Zunehmende Bedeutung für die Filmtheorie gewinnt die Filmgeschichte und Filmgeschichtsschreibung: Dazu veröffentlichen wir die Übersetzung eines Kapitel aus Giuliana Brunos Archäologie neapolitanischer Filmgeschichte.

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Inhalt

  • Giuliana Bruno: Elvira Coda Notari und der neapolitanische Film: ein historisches Panorama
  • Miriam Bratu Hansen: Gewaltwahrnehmung und feministische Filmtheorie: Benjamin, Kracauer und der neue »Gewalt-Frauenfilm«
  • Heide Schlüpmann: Die Wiederkehr des Verdrängten. Überlegungen zu einer Philosophie der Filmgeschichte aus feministischer Perspeklive
  • Annette Brauerhoch: »A Mother To Me«: Auf den Spuren der Mutter – im Kino
  • Heike Klippel: Bergson und der Film
  • Renate Lippert: Die Schatten der Phantasie. Psychoanalyse, Phantasie und Narrationstheorie
  • Georg Tillner / Siegfried Kaltenecker: Objekt Mann. Zur Kritik der heterosexuellen Männlichkeit in der englischsprachigen Filmtheorie
  • Annette Brauerhoch: Berlinale 1994
  • Madeleine Bernstorff: Die Filmpionierin Lois Weber
  • Daniela Schulze: Zwischen Wind und Feuer. Ein Treffen mit der Dokumentarfilmerin Marceline Loridan-Ivens
  • Brigitte Schulze: Zwischen Realität und Fiktion. Phoolan Devi und Bandit Queen

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